Pädagogische Arbeit & Konzeption

Die pädagogische Arbeit mit den Kindern

Erziehung zur Mündigkeit und Selbstverantwortung erfordert einen ständigen Reflexionsprozess darüber, in welchem Maße bzw. welchem Bereich das Kind oder der/die Jugendliche schon selbst Verantwortung für sich übernehmen kann und muss. Gleichzeitig ist ein Rahmen erforderlich, in dem das Kind sich konstruktiv einbringen und gestalten kann. So werden beispielsweise Regeln, die das Zusammenleben der Kinder in der Gruppe betreffen, nicht vorgegeben, sondern mit den Kindern zusammen ausgehandelt. Grenzen sind lediglich gesetzt durch einige nicht verhandelbare Rahmenbedingungen der Gesamteinrichtung oder auch durch die Jugendschutzbestimmungen. Dazu findet einmal pro Woche eine Gruppenkonferenz statt, an der alle Kinder teilnehmen. Hier werden – wenn möglich im Konsensverfahren – die Gruppenregeln und auch entsprechende Konsequenzen bei Nichteinhalten dieser Regeln ausgehandelt.
Darüber hinaus wird in diesen Konferenzen das Zusammenleben in der Gruppe reflektiert. Im Fokus steht dabei: Wie geht es uns mit uns?

Beziehungsarbeit

Wir arbeiten mit einem Bezugserziehersystem. Jedem Kind ist eine pädagogische Fachkraft* zugeordnet, die sich schwerpunktmäßig um dessen Belange kümmert. Dies sind vor allem Schulangelegenheiten oder Elternkontakte sowie im Grunde alle über den normalen Tagesablauf hinausgehenden Bereiche. Je nach Alter und Einsichtsfähigkeit des Kindes reflektiert die pädagogische Fachkraft* mit dem Bezugskind in regelmäßigen Abständen die aktuelle Situation. Diese Reflexion findet nicht nur in Krisen, sondern auch in unbelasteten Zeiten statt. Hier werden Ziele entwickelt und Wege gesucht, die dorthin führen. Methodisch versuchen wir hier lösungsorientiert zu arbeiten, d.h. mit dem Fokus auf Fragen wie beispielsweise: Was willst du erreichen? Was ist hierzu notwendig? Wo sind Veränderungen schon gelungen? Was müsste sich verändern, dass …? Was wäre, wenn …?
Wir gehen also ganz bewusst weg von einer ausführlichen Ursachenforschung, die den Blick für Lösungen eher verstellt.

Entwicklung sozialer Fertigkeiten

Zentrale Bedeutung in unserer Arbeit hat die Entwicklung der sozialen Fertigkeiten des Kindes. Modell und Werkstatt für diese Entwicklung ist die Beziehung zwischen pädagogischer Fachkraft* und Kind. Das Kind definiert durch sein Verhalten Nähe und Distanz, welche ihm durch die Reaktion der pädagogischen Fachkraft* gespiegelt werden. Dies setzt voraus, dass die Fachkraft ihr eigenes Gefühl wie z.B. Kränkung, Freude oder Betroffenheit wahrnimmt, reflektiert und aus der Reflexion unter Einbeziehung ihres Gefühls pädagogisches Handeln entwickelt. Daraus ergibt sich Echtheit und Professionalität in der Arbeit. Kränkendes Verhalten des Kindes einer pädagogischen Fachkraft* gegenüber hat Auswirkungen auf die Beziehung des Kindes zu allen Fachkräften der Gruppe. Diese müssen mit der gekränkten Person solidarisch sein, bis das Kind seine Beziehung zu dieser wieder in Ordnung gebracht hat. Sie geben dem Kind hier gegebenenfalls Hilfestellung. Das Kind lernt dadurch die Wirkung seines Verhaltens auf Beziehung kennen und lernt auch, Beziehungen wieder in Ordnung zu bringen.

Therapeutisches Setting

Liegen dem kindlichen Verhalten deutlich neurotische Strukturen zugrunde oder Strukturen, die aus dem Familiensystem heraus zu erklären sind, versuchen wir – notfalls unter Zuhilfenahme entsprechend ausgebildeter Therapeuten – ein der Störung angemessenes therapeutisches Setting zu installieren.

Einsicht statt Vergeltung

Soziales Lernen geschieht über Einsicht. Diese kann nicht erzwungen werden. Zwang und Strafe sind daher ungeeignete Erziehungsmittel, um Einsicht oder Verstehen für die Notwendigkeit bestimmten Verhaltens bei den Kindern zu entwickeln. Kinder sollen ein erwünschtes Verhalten nicht deswegen praktizieren, damit sie nicht bestraft werden, sondern weil sie verstanden haben, dass dieses Verhalten Sinn macht. Konsequenzen aus einer Regelübertretung werden deshalb mit dem Kind erarbeitet. Sie stehen in einem nachvollziehbaren Zusammenhang zu dieser Übertretung und sollen der Wiedergutmachung dienen, nicht der Vergeltung.

Zusammenarbeit mit der Familie

Ein Kind ist Teil seiner Familie und wird diesem System zeitlebens verbunden bleiben – unabhängig davon, wie schwierig sich die Familienbeziehungen darstellen. Pädagogische Fachkräfte* oder auch wir als Einrichtung sind immer nur eine Episode im Leben der Kinder. Kinder sind in einer besonderen Weise an ihre Eltern gebunden.

Für die Eltern ist es im Regelfall demütigend oder ein Zeichen von Schwäche, einzugestehen, dass sie mit ihrer Erziehungsaufgabe allein nicht mehr zurechtzukommen. Unabhängig von eigenen Misserfolgserlebnissen müssen sich Eltern auch gegen eine öffentliche Meinung verteidigen. Dies geschieht häufig dadurch, dass die Eltern andere „Schuldige“ suchen, also beispielsweise die Kinder selbst, Verwandte, Ehepartner, u.a.

Achtung und Wertschätzung als Basis

Wichtig ist uns eine wertschätzende Haltung, die anerkennt, dass die Eltern bisher ihr Bestmögliches gegeben haben. Sie schafft die Basis und eröffnet den Eltern schließlich die Möglichkeit, ihr eigenes Erzieherverhalten zu überdenken und neue Handlungsstrategien zu entwickeln – ohne dass sie sich in irgendeiner Form verteidigen müssen.

Eine weitgehende Einbeziehung der Eltern in den Erziehungsprozess macht zum einen diese Wertschätzung deutlich, zum anderen ergeben sich dadurch Möglichkeiten konstruktiver Auseinandersetzung zwischen Kindern und ihren Eltern.

Möglichst einmal im Monat findet ein Gespräch zwischen Eltern und pädagogischer Fachkraft* statt. Hier ist Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch bezüglich der aktuellen Situation und zur Abstimmung in Erziehungsfragen. So wird etwa geklärt, wie das Taschengeld eingeteilt werden soll, wie Ausgangsregelungen gehandhabt werden, usw. Zusätzlich wird mit den Eltern besprochen, wer z.B. Kleidung kauft, mit dem Kind zum Friseur geht, Arzttermine wahrnimmt, Lehrergespräche führt und Ähnliches. Die Eltern sollen möglichst alle Aufgaben übernehmen, die sie übernehmen können und wollen.

Regelmäßig nach Hause

Heimfahrten werden mit den Eltern im Konsens abgesprochen. Die Kinder sollen mindestens 14-tägig die Wochenenden zu Hause verbringen, wenn möglich häufiger. Auch die Ferien sollen die Kinder zu Hause verbringen, soweit die Eltern die Betreuung in diesen Zeiten übernehmen können. Je häufiger die Kontakte zwischen Eltern und Kindern stattfinden, desto weniger fremd sind sich die unterschiedlichen Lebensbereiche Heim und Familie und desto realistischer kann der richtige Zeitpunkt für eine Beendigung der Hilfemaßnahme bzw. der Rückführung in die Familie festgelegt werden. Mit diesem Prinzip werden die Eltern in die Verantwortung für die Kinder genommen und auch darin gehalten. Außerdem trägt es dazu bei, das Arbeitszeitkontingent der Fachkräfte im Gruppendienst auf die stärker belasteten Zeiten (Schulzeiten) verteilen zu können.

Der methodische Ansatz

Methodisch vertreten wir – wie bereits angeklungen ist – einen familientherapeutisch/systemischen Ansatz, den wir schrittweise weiterentwickeln und unserer speziellen Situation anpassen.

Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass der Konkurrenzaspekt zwischen Eltern und pädagogischer Fachkraft* in dem Maße abnimmt, in welchem den Eltern Achtung entgegengebracht wird bzw. diese sich in ihrer Elternrolle anerkannt fühlen.

Kinder, die keinen oder nur wenig Kontakt zu ihren Eltern oder anderen nahen Verwandten haben, sind auf sehr viel mehr Nähe von Seiten der pädagogischen Fachkraft* angewiesen, was es dieser umgekehrt schwer macht, eine im Interesse der eigenen Psychohygiene notwendige innere Distanz zu halten. Die nicht vermeidbare personelle Fluktuation im Heimbereich ist für die Kinder und für die Mitarbeitenden mit weit weniger Belastung verbunden, wenn Eltern da sind, zu denen die Kinder stabile Beziehungen haben.

*Unter dem Begriff der pädagogischen Fachkraft haben wir hier Mitarbeitende mit folgender beruflicher Qualifikation zusammengefasst:
Erzieher (m/w/d), Sozialpädagoge (m/w/d), Heilerzieher (m/w/d)

 


 

Ansprechpartner für das Kinderheim:

Jürgen Hammer
Bereichsleiter Stationär / Teilstationär,
Systemischer Berater (DGSF),
Systemischer Familientherapeut (DGSF)

Tel.: 0821/2607721
E-Mail: juergen.hammer@kinderheim-friedberg.de